Well travelled Collective ©

Soundscape

Der Film SOUNDSCAPE ist Teil der European Outdoor Film Tour 2024

Im Gespräch mit Erik und Timmy

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Timmy O’Neill (links) und Erik Weihenmayer (rechts)

Timmy O’Neill

Timmy O'Neill ist Profikletterer und Speaker. Früher machte er als Speedkletterer am El Capitan im Yosemite Valley von sich reden, heute sucht er auf der ganzen Welt nach Outdoor-Abenteuern. 2007 gründete er die Organisation "Paradox Sports", mit der er Menschen mit Behinderung den Klettersport näherbringen will.

Erik Weihenmayer

Erik Weihenmayer hat den Mount Everest und sämtliche Seven Summits bestiegen, mehrere Adventure Races gewonnen, Big Walls im Yosemite Valley geklettert und ist mit dem Kajak durch den Grand Canyon gepaddelt. Mit 13 Jahren erblindete er aufgrund einer ange-borenen Netzhauterkrankung. Er ist ein weltweit gefragter Speaker und setzt sich mit der Organisation "No Barriers" für Inklusion ein.

Blindes Vertrauen beim Big-Wall-Klettern

Timmy O´Neill und Erik Weihenmayer kennen sich seit über 20 Jahren und lieben abenteuerliche Kletterrouten. Im Team setzen sie auf Kommunikation und gegenseitigen Respekt. Denn ob blind oder sehend - am Ende sind beide für die gegenseitige Sicherheit verantwortlich.

Wann habt ihr euch zum ersten Mal getroffen?

TIMMY O’NEILL Ich glaube, wir haben uns zum ersten Mal auf dem Banff Mountain Film Festival getroffen. Erik hatte einen Film über seine Everest-Besteigung im Programm, und mein Film Urban Ape, in dem ich an Gebäuden und Skulpturen herumklettere, lief dort in diesem Jahr auch. Am Ende gewann mein Film in der Kategorie „Best Short“ und Eriks Film in der Kategorie „Best Feature“.

ERIK WEIHENMAYER Ich erinnere mich, dass ich Timmy sogar noch früher zum ersten Mal getroffen habe. Es gab mal eine TV-Dokuserie namens Masters of Stone, in der verschiedene Klettergeschichten gezeigt wurden. In einer Episode kletterte ich gemeinsam mit dem querschnittsgelähmten Kletterer Hugh Herr eine Route an einem Sandstein-Turm in der Nähe von Moab (Utah). Timmy arbeitete am Filmset und trug Essen und Equipment. Später haben wir uns in Thailand beim Klettern wiedergesehen und danach regelmäßig zusammen etwas unternommen.

Auf jeden Fall habt ihr euch über das Filmemachen kennengelernt…

TO: Das stimmt, aber so richtig haben wir uns über das Klettern kennengelernt und durch den Film Soundscape.

War Erik dein erster Berührungspunkt mit der Welt des Behindertensports?

TO: Nein. Ich habe einen Bruder, der von der Hüfte abwärts gelähmt ist. Er hat sich bei einem Unfall an der Wirbelsäule verletzt und dann mit dem Klettern angefangen. Für mich war das der Einstieg in die Welt des Behindertensports und mit Inklusion generell. 2013 habe ich dann die Non-Profit-Organisation Paradox Sports gegründet, mit der wir Menschen mit Behinderung das Klettern ermöglichen. Über die Organisation können wir unsere Erfahrungen teilen und Berührungspunkte schaffen – zwischen Menschen mit Behinderung und denen, die ihnen beim Klettern helfen wollen. Und damit sind wir bis heute erfolgreich.

Ich werde meine Blindheit nie überwinden. Ich mache sie mir zunutze.

Erik Weihenmayer

Was ist deine Meinung zum aktuellen Stand der Inklusion, und wie gehst du mit deiner Behinderung um?

EW: Im Leben gibt es eine ganze Menge Barrieren, und diese Barrieren können uns an den Rand drängen. Und manchmal leben wir in diesen Randbereichen. Aber ich denke, dass einige von uns das Leben voll auskosten und diese Barrieren durchbrechen – nicht überwinden! – wollen.

Die Barrieren werden immer da sein; ich werde immer blind sein. Ich werde meine Blindheit nie überwinden. Aber ich verwende gerne folgende Formulierung: Ich mache mir meine Blindheit zunutze. Es ist großartig, wenn man die Dinge auf den Kopf stellen und seine Einschränkungen in Stärke, Bestimmung und Kraft umwandeln kann.

Als ich in den Neunzigern in der Outdoor-Community nach Sponsoren für meine Kletterabenteuer gesucht habe, war die Tatsache, dass ich blind war, ein Alleinstellungsmerkmal. Ich war anders als alle anderen dort draußen.

Heute fühlt sich die Idee von Inklusion und Diversität oft so an, als würden die Leute einfach nur eine Liste abhaken. Ein Beispiel: Ich werde demnächst für meinen Podcast No Barriers eine Schauspielerin interviewen, die im Rollstuhl sitzt. (Ali Stroker, Anmerkung der Redaktion)

Ist sie die einzige Schauspielerin im Rollstuhl am Broadway? Eine Frau, die die ganze Theaterwelt diverser und inklusiver machen soll?

EW: Genau. Wir bewegen uns in die richtige Richtung, aber ich frage mich trotzdem: Wollen die Leute einfach nur eine Liste abhaken? Da haben wir einen blinden Kletterer – ok, hier eine Schauspielerin im Rollstuhl – check. Oder verstehen sie wirklich, dass Menschen mit allen möglichen Lebensläufen und Fähigkeiten ihr Leben genau wie alle anderen voll auskosten wollen, nur eben auf eine andere Art und Weise? Wir nehmen die Welt eben anders wahr.

Er kann nichts sehen, aber er kann alles fühlen, und genau darum geht es im Leben.

Timmy O'Neill

Wie geht ihr beim Klettern mit euren Unterschieden um, gerade in Bezug auf Sicherheit?

TO: Manchmal muss ich tatsächlich einschreiten und einen Vorschlag machen, was die Sicherheit angeht. Und es kommt vor, dass ich dabei ziemlich deutlich sein muss – weil Erik weiß, was er sich zutrauen kann, und ich nicht. Normalerweise hat der Guide 90 Prozent der Informationen, der Kunde 10 Prozent. Aber in diesem Fall ist es genau umgekehrt. Für mich ist das eine Gelegenheit, bescheiden zu sein, zu lernen und zu akzeptieren, dass ich eine andere Rolle habe. Und für Erik ist es eine Chance, mir etwas beizubringen – darüber, wie sein Körper funktioniert und was es heißt, sich anzupassen. Wir brauchen eine offene Kommunikation, in der beide Seiten etwas lernen und Verantwortung für die Sicherheit übernehmen.

Würdest du den Hulk noch einmal klettern?

EW: Ich gehe nicht davon aus, dass ich den Hulk noch ein paarmal klettern werde. Es gibt so viele Orte auf der Welt, wo man klettern kann. Und mir macht es Spaß, neue Sachen zu machen. Timmy und ich haben so viele Ideen für neue Kletterprojekte, und darauf freue ich mich noch mehr.

Vielen Dank für das Gespräch!

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Sneak peek: Soundscape

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